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Unverschwendet – ein Wiener Original

2015 entschloss sich das Geschwisterpaar Cornelia und Andreas Diesenreiter, ihre familiäre Verbindung um eine geschäftliche Partnerschaft zu erweitern. Was mit dem Abernten von Marillenbäumen begann, setzte 2020 unter dem Markennamen Unverschwendet erstmals über eine Million Euro um. Das Unternehmen rettet Lebensmittel – insbesondere überschüssiges Obst und Gemüse – vor der Vernichtung und verarbeitet sie zu köstlichen Produkten. Wir haben Gründerin Cornelia Diesenreiter interviewt.

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© Andreas Diesenreiter

Wie ist die Geschäftsidee für Unverschwendet entstanden?
Ich bin gelernte Köchin und habe mich immer für Lebensmittel interessiert. An der Universität für Bodenkultur habe ich Umwelt- und Bioressourcenmanagement studiert, dann in Cranfield/England das Masterstudium Design and Innovation for Sustainability angehängt. Dort wurde im Rahmen des Studiums auch eine Restmüllanalyse durchgeführt – vor uns wurde ein Truck ausgeleert, der mit 1,5 Tonnen Müll beladen war. Darunter waren insgesamt 400 Kilogramm Lebensmittel, z.B. Milch, Joghurt, Schokoosterhasen, die allesamt weder abgelaufen noch verdorben waren. Für mich war das ein „Augenöffner“, das hat mich sehr berührt und zum Nachdenken angeregt, sodass ich mich auch in meiner Masterarbeit mit dem Thema beschäftigt habe. Als ich nach Österreich zurückkam, gab es aber keine Jobs in meinem Bereich. Also musste ich kreativ sein und wollte mich auch bewusst mit dem Retten von Lebensmitteln beschäftigen.

Und dann macht man eben ein Geschäft auf…?
2015 war das erst einmal ein Verein: Mein Bruder Andreas und ich sind in die Wiener Schrebergärten gegangen und haben dort, wo die Leute keine Zeit oder Lust hatten, die Obstbäume geerntet. Die waren sehr froh, dass wir ihre Gärten ein wenig aufgeräumt haben, und wir kamen so an unser Produktionsmaterial. Irgendwann gab es einen ganz kleinen Artikel über uns im STANDARD, wo es hieß, dass es nun eben jemanden gebe, der überschüssiges Obst und Gemüse rettet. Daraufhin hat sich die erste Bäuerin bei uns gemeldet, die ein paar hundert Kilo Wassermelonen loswerden musste, und in der Folge kamen wir so auch noch an eine Menge an Tomaten – die passten in Form und Größe nicht für den Handel und wären sonst weggeschmissen worden. Dazu muss man wissen, dass in der Landwirtschaft meist 120 bis 160 Prozent mehr angebaut wird, als man voraussichtlich verkaufen kann – einfach als Vorsorge, falls es größere Ausfälle durch Hagel, Dürre oder auch Überschwemmungen gibt.

Die Bäuerinnen und Bauern waren also wie die Schrebergarten-Besitzer froh, dass Sie diese Ware gratis mitnehmen?
Nein, das waren keine Gratis-Deals mehr, und das wollten wir auch nicht. Unverschwendet ist ein ökosoziales Unternehmen und wir wollen nicht einfach an der Arbeit anderer verdienen. Die Landwirtinnen und Landwirte haben ja zu diesem Zeitpunkt schon viel investiert: Saatgut gekauft, die Pflanzen gezogen, und auch die überschüssige Ware geerntet – mit Helferinnen und Helfern, die bezahlt werden mussten. Aber wir zahlen natürlich deutlich unter dem Marktpreis, den „schöne“ Ware erzielen würde. Tatsächlich wollen wir auch nur den Überschuss, der sonst vernichtet würde – eben das, was „unverschwendet“ bleiben soll.

Wie lief die Produktion der Waren – Marmeladen, Chutneys, Säfte und vieles mehr – an?
Zu Beginn haben wir tatsächlich alles noch selbst produziert – 2017 immerhin schon 32.000 Gläser, die unter Schweiß und Tränen hier in unserer kleinen Küche am Schwendermarkt eingekocht wurden. Das ganze Jahr hindurch, sieben Tage die Woche. Auf diese Weise haben wir schon mal fünf Tonnen an Obst und Gemüse gerettet. 2018 waren wir in der TV-Show „2 Minuten, 2 Millionen“, haben allerdings kein Investment bekommen. Einer der Investoren, Heinrich Prokop, hat uns aber einen wichtigen Tipp gegeben. Er empfahl, dass wir möglichst alles auslagern, was die Produktion betrifft, und uns auf unsere Kernkompetenz konzentrieren: Die Beschaffung von Überschüssen, sowie den Vertrieb und das Marketing. Aus diesem Grund haben wir uns renommierte Betriebe als Kooperationspartner gesucht – z.B. Staud’s für die Marmeladen, oder auch den Senf-Spezialisten Ramsa-Wolf.

Zuletzt haben Sie sich auch mit dem steirischen Schokoladenproduzenten Josef Zotter zusammengetan. Was gibt’s in dessen Sortiment denn zu retten?

Josef Zotter habe ich bei einer Veranstaltung kennengelernt, wo wir beide unsere Produkte vorgestellt haben – er seine Schoko-Croissants und ich unsere Tomaten-Bruschetta. Ich war schon lange ein Fan von ihm, habe auf der Uni auch zwei Arbeiten über ihn bzw. sein Unternehmen geschrieben. Er ist sowas wie ein unternehmerisches Vorbild, und ich hab ihn dann auch angesprochen. Josef Zotter hat erzählt, dass in seiner Produktion, wenn die großen Schokolade-Blöcke in Stücke gebrochen oder geschnitten werden, immer auch kleinere Stücke wegbrechen. Die werden natürlich gesammelt, aber in seinem Produktionsprozess sind die nicht gut weiterzuverwenden, oder nur mit großem Aufwand. Für uns ist das super – wir nehmen ihm diesen „Bruch“ ab und produzieren damit nun einen Bio-Fruchtaufstrich mit Weichseln.  

Was sind Ihre größten Erfolge – mal abgesehen von diesen tollen Kooperationen?

Seit wir angefangen haben, konnten wir bereits 250 Tonnen Obst und Gemüse retten. Das ist schon was. Aber tatsächlich ist das leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein aus Wien wurden uns in dieser Zeit 10.000 Tonnen angeboten, wir retten also gerade einmal 2,5 Prozent von der Ware, die weggeschmissen wird. Trotzdem sind wir stolz darauf, wie sich Unverschwendet entwickelt hat – mittlerweile umfasst das Team 15 Leute, wir haben zusätzlich zum Standort hier am Schwendermarkt auch ein großes Büro auf der anderen Straßenseite. Und am Großgrünmarkt in Inzersdorf lagern wir Ware auf 200 Paletten-Stellplätzen.

War es logisch, das Geschäft an einem Markt zu eröffnen – oder hat sich das zufällig ergeben?
Es war wirklich totaler Zufall. Wir haben damals vor allem eine Küche gesucht. Und dann war dieses Markt-Lokal hier frei und wir haben zugegriffen. Tatsächlich fragen uns immer wieder Leute, ob der Name Unverschwendet auch deshalb entstanden ist – aber den hatten wir bereits davor, und es passt ganz wunderbar.

Mittlerweile macht Unverschwendet einen Umsatz von mehr als einer Million Euro im Jahr. Welchen Anteil daran haben der Ladenverkauf, der Online-Shop und die Retailpartner wie z.B. Rewe?
Tatsächlich ist unser wichtigster Kanal das B2B-Geschäft: Wir fokussieren v.a. auf Firmengeschenke, also schön gestaltete, wertige Kombinationen unserer Produkte. Das ist mittlerweile für viele Unternehmen ein beliebtes Weihnachtsgeschenk an Kundinnen und Kunden sowie an die Angestellten. Damit machen wir 80 Prozent unseres Umsatzes. Der Laden hier am Markt kommt vielleicht auf zwei Prozent. Und der Rest liegt dazwischen.

Viele heimische Obst- und Gemüsesorten wird es vielleicht bald nicht mehr geben (können) – Stichwort Klimawandel –, und andere werden dafür vom Süden zu uns rauf „wandern“: Wie wirkt sich das auf Ihr Geschäft aus?
Von den Landwirtschaftsbetrieben bekommen wir mit, dass immer öfter z.B. von Hokkaido-Kürbissen auf Wassermelonen umgestellt wird. Der Trend wird aber überschätzt. Hokkaidos sind natürlich empfindlich gegen starke Temperaturschwankungen, das steckt die Wassermelone besser weg und kann daher klimafreundlicher gezogen werden. Aber es werden halt hierzulande nicht so viele Wassermelonen konsumiert, weil das Zeitfenster dafür zu kurz ist – entsprechend wurden uns ja, wie gesagt, schon vor Jahren überschüssige Wassermelonen angeboten. Unsere Erdbeerbauern sind wiederum total am Verzweifeln, weil es mittlerweile im Mai und Juni so viel regnet und ihnen die Beeren verschimmeln. Dagegen helfen Hochbeete, damit das Wasser abrinnt, aber das bedeutet aufwändige Konstruktionen und teure Investments. Marillen wiederum müssen oft zusätzlich bewässert werden, sonst wirft der Baum sie in einer Hitzewelle ab, um selbst überleben zu können. Die teure Bewässerung interessiert aber immer weniger Marillenbauern, bzw. ist das oft nicht leistbar. Der Klimawandel hat also natürlich Auswirkungen auch auf uns, aber wir versuchen mit unserem Sortiment darauf zu reagieren, um vor allem unserem Kernanliegen, der Ressourcenverschwendung, etwas entgegen zu halten.

Welche Tipps würden Sie anderen GründerInnen mit Rückblick auf die vergangenen Jahre geben?
Man sollte sich schon vor dem Start gut über mögliche Förderungen informieren. Und möglichst früh sinnvolle Kooperationen eingehen, weil man von großen, erfahrenen Partnern sehr viel lernen kann.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Unternehmens?
Der oberste Wunsch bleibt, dass wir den besten Weg finden, um am meisten Obst und Gemüse zu retten.


Unverschwendet
Schwendermarkt/Stand 18
1150 Wien
unverschwendet.at  

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