Wiener Originale , News

Jägertee – ein Wiener Original

Vor knapp 160 Jahren, im Jahr 1862, begann die Firma Jäger & Comp. damit, den Wienerinnen und Wienern das Teetrinken beizubringen: In der damals schon seit zwei Jahrhunderten dem Kaffeegenuss verfallenen Stadt gab es plötzlich ein neues In-Getränk, das man als gebildeter Mensch mit Geschmack verkostet haben musste

Tatsächlich begannen die damaligen Gründer von Jäger & Comp mit einem Spirituosenhandel, welcher eben auch einen Schwarztee aus China im Angebot hatte. Der kam bei den Leuten gut an – und es gab ihn sonst nirgends. Nach und nach stieg die Nachfrage, das Angebot wurde ausgeweitet. Und heute wird das mittlerweile unter dem Namen JägerTEE agierende Handelsunternehmen direkt neben der Staatsoper als Wiens ältestes Tee-Fachgeschäft bereits in vierter Generation betrieben. Mit Christoph Masin (40) hat 2013 ein innovativer, kreativer Unternehmer das Ruder übernommen, der das Geschäft mit viel Herzblut führt. Und dem man die Leidenschaft, mit der er am Werk ist, deutlich anmerkt. 

Wien ist ja nach wie vor eher für seine Kaffee-Tradition bekannt: Wie geht‘s Ihnen damit? Was verpasst der primär Kaffee konsumierende Mensch?
Die klassischen Kaffeetrinkerinnen und -trinker argumentieren oft damit, wie viele Geschmacksrichtungen und unterschiedliche Röstungen es doch beim Kaffee gebe. Genau das kann aber Tee auch bieten: eine immense Sortenvielfalt und zahlreiche Sortenanwendungen, passend zur jeweiligen Tages- oder Jahreszeit. Man trinkt seine bevorzugte Sorte im Sommer kalt und im Winter heiß. Man trinkt in der Früh einen anregenden Tee und am Abend einen, der beruhigend wirkt. Aus meiner Sicht ist das Geschmacks- und Erlebnisspektrum von Tee gegenüber Kaffee um ein Vielfaches größer. Weiters hat Tee viele Vitamine, wertvolle Inhaltsstoffe und Antioxidantien, die sich positiv auf den Körper auswirken. Er ist je nach Sorte auch eine großartige Begleitung zu Speisen: Ich reiche z.B. einen kalten japanischen Grüntee – den Japan Sencha Spezial Bio – zu Fisch. Ich empfehle dunklere Tees eher zu Wild und grille meine Spare-Ribs gerne mit einer Assam-Kruste. Tatsächlich sagen immer noch viele Menschen, dass sie Tee nur trinken, wenn sie krank sind – aber unsere Community ist groß und wächst stetig weiter. 

Aber was ist überhaupt "echter" Tee? Weil z.B. die Hagebutte fällt ja in Wahrheit nicht in diese Kategorie, und der Pfefferminztee im Krankheitsfall auch nicht…
Der echte Tee stammt von der Teepflanze ab, der Camellia Sinensis. Die „produziert“ sowohl den klassischen Schwarztee als auch das, was wir als Grüntee, Weißtee und Oolong-Tee kennen. Es handelt sich dabei nur um unterschiedliche Verarbeitungsformen. Zum Beispiel geht es darum, wieviel Sauerstoff zu welchem Zeitpunkt der Verarbeitung an die gepflückten Blätter kommt. Natürlich gibt es über die Jahrtausende verschiedene Züchtungen, aber ganz grundsätzlich ist es ähnlich wie beim Wein: Geschmacklich wirkt sich auf das Teeblatt aus, wo die Pflanze wächst – in welcher geografischen Lage, in welcher Höhe, auf welchem Boden, in welchem Klima. Und damit entwickeln sich eben unterschiedliche Charakteristika des Tees. Somit schmeckt ein Grüntee aus Hochland von Nepal komplett anders als ein japanischer Grüntee.

Wie viele Teesorten gibt es in Ihrem Geschäft?
Momentan umfasst das Sortiment etwa 250 verschiedene Teesorten.

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© Christoph Masin

Gibt es "untypische" bzw. eher unbekannte Teeregionen?
Neben den klassischen Anbaugebieten, die in der Teebranche bekannt sind – das sind Tees aus Indien, Sri Lanka und China als „Big Player“, aber auch zum Beispiel Japan – fällt mir auf Anhieb Südkorea ein. Und Nepal möchte ich noch einmal hervorheben, da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine großartige Teekultur entwickelt: unfassbar schöne und köstliche Sorten von Grüntee, Schwarztee oder auch Oolong-Tee, beziehen wir von kleinen Plantagen aus diesen Regionen.

Wie wählen Sie die besten Teesorten aus bzw. wie bewertet man die Qualität von Tee?
Wenn ich einen Tee zur Beurteilung aus den verschiedensten Ländern von unseren kleinen Partnerplantagen bekomme, starte ich unser traditionelles und altbewährtes System der Teeverkostung, auch Tea-Tasting genannt. Anfangs teste ich zuerst den Geruch, begutachte das Aussehen und die Struktur des Blattes in allen Zuständen – also trocken oder aufgegossen. Und schließlich natürlich den Geschmack des aufgebrühten Tees. Im Schnitt verkoste ich mit meinem Team 600-800 verschiedene Teesorten pro Jahr um die besten Qualitäten und Geschmacksrichtungen zu erhalten. Wichtig ist, dass wir als verhältnismäßig kleiner Betrieb die Möglichkeit haben, auch bei familiären Plantagen zu kaufen – besondere Tees, die sonst niemand importiert. Denn ein Großbetrieb, der mehrere Filialen beliefern muss, will natürlich überall das gesamte Sortiment anbieten können – und so ein Unternehmen kommt nicht mit einem Produzenten ins Gespräch, der ihm „nur“ 100 Kilo einer Sorte verkaufen kann. Das Ergebnis daraus ist, Spitzenqualitäten in geringerer Menge dafür zu einem leistbaren Preis.

Was darf oder muss guter Tee kosten? 
Bei dem riesigen Potenzial, das uns die Teepflanze bietet, ist das schwer pauschal zu sagen. Ich biete in unserem Sortiment zahlreiche wirklich hochwertige Tees an, die für fünf bis zehn Euro je 100 Gramm gelistet sind. Hier findet jeder Tee-Fan seinen Lieblingstee. Von Früchte-, über Kräutertee bis hin zu naturbelassenen reinen Schwarz-, und Grüntees. Viele empfinden den Besuch in einem Teefachgeschäft für preislich höher als in einem Supermarkt, aber wenn Sie aus dem losen Tee bei 100g Menge, 50 Tassen erhalten, dann relativiert sich das schon sehr. Auf der oberen Skala gibt es bei uns Tees für 57 Euro für 30 Gramm oder 42 Euro per 100 Gramm, und das sind natürlich sehr exklusive und spezielle Sorten. Aber der Preis steht bei uns stets immer im Verhältnis zur Qualität – zu dem, was der Tee kann und woher er kommt. 

Und wie ist es nun wirklich mit Hagebutte & Co.? 
Alles, was nicht von der Teepflanze kommt, ist in dem Sinn ein Aufgussgetränk – wie zum Beispiel Früchtetee, Kamille-, oder klassischer Kräutertee. Wir verwenden die Bezeichnung Tee auch bei diesen Sorten natürlich – weil es sich eingebürgert hat und die Menschen es so kennen.

Sie sagen gerne, dass JägerTEE eigentlich "Zeit verkauft" – auch auf ihrem Hemd steht "Zeit für Liebe zum Tee". Können Sie das näher ausführen?
Für uns alle hier – das gesamte, achtköpfige Laden-Team – ist der Job eine Leidenschaft, und Tee ist für uns alles andere als ein 08/15-Produkt. Jeder und jede von uns ist in das Produkt reingewachsen oder kam schon mit dieser Leidenschaft zu uns. „Zeit für Liebe zum Tee“ sagt so viel aus: Es geht um Zeit, um Liebe, um Tee – diese Worte tun einfach gut. Man nimmt sich Zeit, einen Tee zuzubereiten, genießt ihn Schluck für Schluck und fühlt sich wohl damit. Es ist ein emotionales Wohlfühlgetränk.

Sie bezeichnen sich auch als "Tee-DJ", mischen also selbst Teesorten zusammen. Worauf muss man dabei achten? Wie finden Sie Inspiration?
Bei unseren Mischungen lässt jedes Team-Mitglied seine Leidenschaft einfließen, bringt Ideen aus der Welt des Grün-, Weiß-, Schwarz und Oolong-Tees ein. Und auf der Basis probieren wir spannende, man könnte manchmal auch sagen extreme Mischungen aus. Was uns selbst schmeckt, bieten wir in kleiner Menge an und beobachten, wie Kundinnen und Kunden darauf reagieren. Wenn es gut ankommt, nehmen wir das Produkt ins Sortiment. Mit im Spiel sind dabei auch untergemischte Früchte, wie z.B. Maracuja, aber auch z.B. Karamell im Schwarztee, Lemon-Gras im Grüntee, oder z.B. Vanille oder Jasmin. Außerdem haben wir eine Kartei mit vielen Hundert persönlichen Mischungen unserer Kundinnen und Kunden, die sich über die Jahrzehnte angesammelt haben. Wenn also jemand kommt und sagt, er will einen Schwarztee, der ihn in der Früh aufweckt, einen malzigen und schokoladigen Geschmack hat, dann fangen wir an zu mischen. Und das wird dann nach Feedback der Kundschaft verfeinert, bis er oder sie zufrieden ist und danach stets nach seiner individuellen Mischung fragen kann, die jeweils frisch zubereitet wird. Im Winter bieten wir auch gerne einen Schwarztee-Mix an, der zimtig wie Lebkuchen schmeckt. 

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© Christoph Masin

Was genießt man idealerweise zum Tee dazu bzw. was kommt rein? Milch, Zucker, Honig, Zitrone…? 
Persönlich genieße ich gerne den reinen Tee. Aber egal, was jemand in seinen Tee gibt oder wie man ihn trinkt: Wenn man sich dabei wohlfühlt, dann hat man es für sich richtig gemacht. Allerdings gibt es schon auch Tees, wo ich stark davon abraten würde, zum Beispiel Milch rein zu geben. Der schmeckt so lieblich und zart – der Geschmack geht völlig verloren, wenn man ihn mischt. Unsere Zubereitungsempfehlungen, die Menge und Ziehzeit beinhalten, beruhen rein auf unseren Erfahrungen – da kann man natürlich selbst noch feinjustieren. 

Beim Namen Ihres Unternehmens denkt man natürlich an den berühmten „Jaga-Tee“ – also Schwarztee mit Rum. Wie stehen Sie dazu?
Grundsätzlich haben wir mit dem klassischen „Jaga-Tee“ nichts gemeinsam in der Tasse. Der Name beruht auf den Gründern der Firma. Tatsächlich haben wir aber eine über 120 Jahre alte Familienpunschrezeptur, die wir als „der Punsch zum Tee“ anbieten. Dieser Likör ist ein beliebter Klassiker: Er kann auch pur getrunken werden, zum Backen verwendet werden oder einfach ein Schuss davon in den Früchte- oder Schwarztee – köstlich! 

Was halten Sie von Eistee? Der kommt ja meist völlig überzuckert daher… 
Wir produzieren auch unseren eigenen Eistee, ohne zugesetzten Zucker aus unseren Teessorten, inspiriert durch meinen Sohn. Schmeckt super und kommt bei jung und alt gut an. Auch so genannte „cold brews“ sind im Trend: Spezielle Tee-Sorten, die man in einer speziellen Kanne mit kaltem Wasser mischt. Dann drei Stunden in den Kühlschrank und fertig zum Genießen – großartig!

Ist man mit Matcha noch im Trend?
Sicher. Bei uns war das schon vor 20 Jahren ein Trend – wir haben Matcha seit ewig im Angebot. Matcha kommt nie aus der Mode, denn er ist wie ich ihn gerne auch bezeichne der Superheld unter den Grüntees. Er liefert alle Vitamine und Inhaltsstoffe die dem Körper Gutes tun. Er ist eine sehr köstliche und gesunde Espresso Alternative. Auch beim Gin waren wir recht früh dran: Unseren Earl Grey Gin gab es schon vor dem Boom der letzten Jahre. 

Wie hat sich das Geschäft mit den Corona-Lockdowns entwickelt?
Wir mussten kaum schließen, weil wir ja im Lebensmittelhandel angesiedelt sind. Unseren Tea-Room zum Tee trinken hier im Geschäft haben wir vorerst eingestellt, und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Der Raum dient jetzt der Verpackung für den Versand der Bestellungen in unserem Online-Shop. Es hat sich durch die Situation ein sehr großer und neuer Kundinnen- und Kundenstamm entwickelt, da sich die Gesellschaft wieder darauf besinnt hat, regional einzukaufen und zu bestellen. Mit dem Online-Shop sind wir seit Jahren erfolgreich – zum Start um 2005 herum haben wir sogar noch Bestellungen per Fax angenommen. In dem Zusammenhang ist uns auch das Umwelt- und Nachhaltigkeitsthema sehr wichtig: Unsere Teebeutel sind zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Viele Verpackungen sind aus wiederverwertbaren und nachwachsenden Rohstoffen und können mit dem Altpapier entsorgt werden. 

Was ist Ihr aktueller Lieblingstee?
Der schon genannte Japan Sencha Spezial Bio, weil er so vielfältig ist: Ich trinke ihn heiß oder kalt, man kann ihn mehrfach aufgießen, er hat einen einzigartigen Geschmack mit viel Umami – ein toller Kabusecha, ein Halbschattentee. 

Und welchen Tee würden Sie unseren Leserinnen und Lesern für die kommenden Herbsttage empfehlen?
Oolong-Tees sind grundsätzlich sehr vielseitig, diese kann man auch am Nachmittag trinken. Zum Beispiel den China Roasted Olong, der eine kaffeeartig-schokoladige „Tasse“ hat, wie man im Fachjargon sagt.


JägerTEE
Operngasse 6, 1010 Wien
www.jaegertee.at

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