Klein, fein und mitten im Palaisviertel

Eine Erkundungstour durch sechs kleine Gassen und zu verborgenen Schätzen des Palaisviertels. Einfach Smartphone schnappen, der beschriebenen Route folgen und Orte entdecken, die bisher kein Reiseführer so abgedruckt hat!

Die Innenstadt fühlt sich oft nach einer internationalen Metropole an. Ein Wuseln erfüllt die Fußgängerzonen. Manchmal sammeln sich Menschentrauben, um den Worten der Local Guides zu lauschen. Worte in Sprachen aus aller Welt füllen die Plätze, streifen das Ohr im Vorbeigehen und schweben dann langsam zwischen den alten, schmucken Fassaden hoch in den Himmel über Wien. Dort – und nur dort – im 1. Bezirk hängt dieses Gefühl, mitten in einer Stadt zu sein, die so viele Menschen rund um den Globus auf ihrer persönlichen „Must-travel-to“-Liste haben. Groß und weit fühlt sich die Welt dann an. Dabei ist sie auch so klein! Und genau dieses Kleine, Feine, Verborgene schauen wir uns bei unserer Tour durch das Palaisviertel an.

Station 1: Ledererhof

Unsere Route beginnt Am Hof 10, wo die Färbergasse uns Richtung Donaukanal führt. Nach nur wenigen Schritten biegen wir nach rechts in den schmalen Ledererhof, eine Gasse, die fast zu klein scheint, als dass man ihr einen Namen hätte geben müssen. Das Wort „Hof“ weckt – besonders wenn man gerade noch die weitläufige Freyung und den großen Platz Am Hof gequert hat – ganz andere Erwartungen an die Größe der Gasse. Nach wenigen Metern können wir nur nach rechts abbiegen und finden uns in einem gemütlichen Hinterhof, der im Sommer mit der Schanigartengarnitur des Brezlgwölbs zum charmanten Hideaway gemacht wird. Oberhalb der Tische lädt ein für die Innenstadt untypischer Balkonzubau an der Hausmauer zum Hinschauen ein. Verlässt man den Ledererhof dann zur Drahtgasse hin wird der Anblick des modernen Balkongerüsts vom schmiedeeisernen Balkon des Hauses auf der linken Seite nochmal kontrastiert. Man muss sich in der Drahtgasse stehend nochmal umdrehen, um die beiden Balkone gemeinsam zu sehen.

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© Veronika Fischer

Futuristik trifft auf Historie. Der Blick auf die beiden Balkone im Ledererhof von der Drahtgasse aus.


Station 2: Das Durchhaus in der Kurrentgasse
Von der Drahtgasse gelangt man nach wenigen Schritten auf den Judenplatz, wo zu unserer Linken das Holocaust-Mahnmal der Künstlerin Rachel Whiteread und zu unserer Rechten das Lessingdenkmal steht. Wir passieren zweiteres und biegen nach rechts in die schmale Kurrentgasse ab. Wie überall in der historischen Altstadt lohnt es sich, den Blick nach rechts und links zu wenden und sich die Fassaden genau anzusehen. Dabei sollte man aber nicht den unscheinbaren Durchgang auf der linken Seite der Kurrentgasse verpassen. Das grüne Haustor öffnet den Schleichweg in die Kleeblattgasse. 

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© Veronika Fischer

Das Durchhaus führt von der Kurrentgasse auf einem Schleichweg in die Kleeblattgasse und weiter in die Tuchlauben.


Solche Durchhäuser gibt es in Wien erstaunlich oft. Wer eine Durchhaus-Tour machen will, kann sich Infos auf der Wien-Wiki-Seite zum Thema Durchhaus holen. Wir nehmen diesen Shortcut und landen in der Kleeblattgasse, die uns geradewegs auf die Tuchlauben führt. Zu linker Hand kann man sich – zumindest in der Eissaison – der Qual der Wahl stellen: Blumen oder eines der besten Eise Wiens kaufen?
Egal wie wir uns entschieden haben, drehen wir uns jetzt auf der Tuchlauben in Richtung Kohlmarkt. Die Kleeblattgasse ist nun auf unserer rechten Seite und wir marschieren ein paar Schritte gen Kohlmarkt. Da wir auf die Straßenschilder der Seitengassen achten, bemerken wir etwas Eigenartiges: Die Kleeblattgasse, die wir gerade hinter uns gelassen haben, liegt jetzt vor uns. Ja, richtig! Die Kleeblattgasse macht in ihrem Verlauf fast eine 180-Grad-Drehung. Wer Zeit hat, sollte sie jetzt nochmal abgehen – einfach weil es lustig ist – und dann wieder hierher an den Ausgangspunkt dieser Feststellung kommen. (Dabei kann man sich ja auch nochmal überlegen, ob man sich beim zweiten Vorbeikommen nicht vielleicht doch noch eine Kugel Nougateis holt.)

Station 3: Milchgasse
Quasi gegenüber von der Kleeblattgasse führt die kurze Milchgasse zur Rückseite der Peterskirche. Dort mal eine kleine Runde zu drehen und in die schmale Kuhfüßgasse zu „spernzeln“ (also auf gut Wienerisch einen Blick hineinzuwerfen) kann wirklich nicht schaden. An den Hausmauern lassen sich die alten Straßenschilder begutachten, die subtil zum Charme des Viertels beitragen.

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© Veronika Fischer

Wir spernzeln mal schnell rein.


Station 4: Stippvisite in der Neubadgasse
Zurück in der Tuchlauben gehen wir an den Stores internationaler Modelabels und beliebten Innenstadtlokalen vorbei, werfen einen Blick auf den Graben und gehen weiter bis wir am Kohlmarkt in die Wallnerstraße abbiegen. Gleich nach den beiden Lokalen geht eine winzige Gasse rechts hinein. Wir müssen nicht hineingehen, um lesen zu können, dass an ihrem Ende die Wiener Netze das Umspannwerk Neubad beherbergen. Aber wir führen uns vor Augen, dass sich hier einst das Neubad befand, das zu den vornehmsten und am meisten frequentierten Bädern Wiens gehörte. (vgl. Czeike Felix (2004): Historisches Lexikon. Band 4, S. 367)


Station 5: Der Haarhof
Wir gehen die Wallnerstraße weiter, bis sie sich durch das Zusammentreffen mit der Fahnengasse auf der linken Seite etwas öffnet. Die dunkelgraue Pflasterung zeigt den Straßenverlauf für den Autoverkehr. Und dort schauen wir nach rechts in einen so schmalen Durchgang, dass man fast die Luft anhalten und die Schultern einziehen möchte, um hineinzugehen. Das ist der Haarhof, benannt nach dem Flachshaar, das hier ab dem 15. Jahrhundert gehandelt wurde. Nach wenigen Schritten öffnet sich die schmale Gasse zu einem kleinen Platz, auf dem im Sommer der Schanigarten des Esterházykellers ist. Auch einer der 2.689 Bäume*, die im 1. Bezirk wachsen, steht hier und macht eine kleine Oase aus dem Hinterhof.

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© Veronika Fischer

Im Haarhof befindet sich ein lauschiger Gastgarten im Schatten eines der 2.689 Bäume, die es im 1. Bezirk gibt.



* Mehr Zahlen und Fakten zum 1. Bezirk gibt es übrigens im Beitrag „Alltags-Essentials im Palaisviertel“.


Daran, das hier bis 1180 der alte Stadtgraben verlief, erinnert das Gefälle des Haarhofes, der von hier aus gesehen aufsteigend in die Naglergasse führt.

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© Veronika Fischer

Der Weg vom Haarhof in die Naglergasse.



Station 6: Die Irisgasse
Wir könnten die Naglergasse nun nach rechts gehen, um einen Blick in die Körblergasse zu werfen, wo sich Wiens ältestes und kleinstes Irish Pub befindet. Früher konnte man von der Körblergasse in die Neubadgasse bzw. in das genau in dem Dunstkreis gelegene Neubad gehen.
Aber um die letzte Station unseres Rundgangs zu besuchen, gehen wir vom Haarhof über die Naglergasse gerade weiter in die Irisgasse. Mit nur 17,5 Metern Länge ist die Irisgasse eine der kürzesten Gassen Wiens und die kürzeste des Palaisviertels. Wegen ihrer Breite aber ist sie wie purer Sauerstoff, der die Lunge – und eben auch die Naglergasse – öffnet und das Flair dieses Straßenzugs in Richtung Am Hof/Bognergasse strömen lässt. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihrer beschaulichen Größe ist die Irisgasse ein ganz besonderes Plätzchen. Von hier aus kann man sich entscheiden, die geschäftige Bognergasse mit ihren Lokalen und Modepalästen hinunterzugehen, in die Naglergasse mit ihrem bunten Branchenmix zu schlendern, den Spaziergang mit einem kleinen Kaffee auf der Freyung gebührend ausklingen zu lassen oder quer über Am Hof zu flanieren, um die ganze Runde nochmal zu gehen. image
© Veronika Fischer

Die Irisgasse ist mit 17,5 Metern Länge die kürzeste Gasse im Palaisviertel.


Alle Geschäfte, Lokale und Dienstleistungsunternehmen, denen wir auf dem Weg begegnet sind, haben wir auf der Übersichtsseite des Palaisviertels zusammengestellt. Noch mehr Erzählungen und Spaziergänge im Palaisviertel gibt es in unserer Blogpost-Sammlung des charmanten Viertels im 1. Bezirk.

© Text & Fotos: Veronika Fischer

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